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ONCF DH427 Tunnel Tiouli

Train du désert / Oriental Desert Express und James Bond

Die Zugfahrt

Oriental Desert ExpressMindestens zweimal pro Jahr – gelegentlich auch bis zu achtmal ist ein Bahngleis auf dem Bahnhof von Oujda ein beliebtes Fotomotiv. Dann steht früh um 7 Uhr der Train du désert für die Abreise nach Bouarfa bereit. Freundlich winkt der Lokführer den Fahrgästen zu, letzte technische Überprüfungen laufen, bevor sich die Türen schließen. Der Wüstenzug verlässt laut hupend den Bahnhof.

ONCF DH427 LogbuchEine Lokomotive DH-427 mit einer vierköpfigen Besatzung ist für unsere Fahrt verantwortlich. Neben dem Lokführer überblickt der Streckenbeobachter die Gleise, um rechtzeitig vor Sand oder anderen Hindernissen zu warnen. Zwei weitere Besatzungsmitglieder notieren Geschwindigkeit, Pausenzeiten und gefahrene Kilometer. Eine zweite Lokomotive wird für die Rückfahrt mitgeführt, da in Bouarfa nur rangiert, nicht jedoch gewendet werden kann. Dahinter befindet sich ein Schlafwagen, in dem die zweite Besatzung ruht, die den Zug in der Nacht wieder nach Oujda fahren wird.

Küche im Train du desert Der ehemalige Gepäckwagen ist heute umfunktioniert und dient der Küchencrew als Lagerraum und Kochgelegenheit. In großen Kartons auf dem Fußboden befinden sich Geschirr, Besteck, Tabletts, Teekannen, Gläser, Schüsseln sowie Vorräte und Getränke. Auf Hockern sitzend wird Gemüse geschnitten und gegart, Tee gekocht und das Geschirr abgewaschen.

Für die Touristen steht ein klimatisierter Wagen zur Verfügung, sie können sich aber auch in einen ca. 70 Jahre alten Schnellzugwagen Bauart B10 begeben, in dem sich die Fenster öffnen lassen.

Train du desert - Sand schaufelnFür die 304 km lange Strecke benötigt der Zug 8 – 12 Stunden, oft kann nur im Schritttempo gefahren werden, Sandstürme sorgen dafür, dass die Gleise stellenweise wieder frei geschaufelt werden müssen. Von Oujda führt die Strecke zuerst noch durch relativ fruchtbare Ebenen, erst nach dem Tunnel von Tiouli beginnt die unendliche Wüsten- und Steppenlandschaft.

Train du desertNach der Tunneldurchfahrt wird der Zug plötzlich langsam, hält schließlich ganz an, die Besatzung öffnet die Türen, stellt Holztreppen zum bequemeren Ausstieg zur Verfügung. Die Türen werden wieder geschlossen, langsam verschwindet der Zug rückwärts im Tunnel, um dann laut hupend als Fotomotiv wieder aufzutauchen.

Zur Mittagszeit wird irgendwo im Nirgendwo ein 3-Gänge-Menue serviert, später wird der traditionelle Thé à la menthe angeboten.

James Bond - Spectre, Bild: © ZDFEinen Teil seiner Berühmtheit verdankt der Zug dem 2015 gedrehten James-Bond-Film Spectre mit Daniel Craig in der Hauptrolle. Die Außenaufnahmen des Zuges auf seinem Weg durch die Wüste entstanden hier, ebenso spielt die kleine Station Tendrara eine Rolle, an der Bond hier mit seiner Begleiterin im „Nichts“ ausgestiegen sein soll…
Heute werden die Teilnehmer hier von einer marokkanischen Folklore-Band empfangen.

Kein Eisenbahnfreak, kein Technikliebhaber, kein Marokkofan sollte sich dieses Ereignis entgehen lassen.
Beeindruckender kann eine gut 300 km lange Zugfahrt kaum sein!

Die Idee

Edi Kunz im Oriental Desert ExpressDer ehemalige Präzisionsmechaniker für Schweizer Uhren, Edouard Kunz, den alle nur Edi nennen, lebt seit 1977 in Marokko. Bahnhofsvorstand oder Lokführer waren einst seine Berufsträume. Fast liegt es da auf der Hand, dass es ihn reizt, die seit 1967 stillgelegte Strecke Oujda - Bouarfa für touristische Zwecke wieder zu beleben. Im Jahr 2003 gelang es Edi, der die Tauglichkeit der Gleise selbst geprüft hat, das marokkanische Eisenbahnamt zu überzeugen, die vorhandene Strecke für Touristenfahrten wieder zu aktivieren. Drei Jahre arbeitet er intensiv mit marokkanischen Behörden zusammen, investiert eine große Geldsumme, bis 2006 die erste Fahrt starten kann.
Train du desert - Schnellzugwagen B10Besonders wichtig ist dem Eisenbahnliebhaber der Erhalt des 70 Jahre alten Schnellzugwagens Bauart B10 der Französischen Staatseisenbahn, dessen Restaurierung aus den Erlösen der Zugfahrt bestritten wird.

Mindestens zweimal im Jahr begleitet Edi Kunz Reisende an Bord des Train du désert auf der 304,5 km langen Strecke und informiert sie über die Umgebung, über die dort lebenden Nomaden, über Probleme mit dem lebensnotwendigen Wasser, über die Mine in Bouarfa. Keine Antwort bleibt er schuldig, viel Zeit zum Erzählen ist ja da!
Für die Zukunft wünscht Edi sich die touristische Entwicklung dieser vergessenen Region. Dafür hat er bereits eine Assoziation gegründet.

Die Geschichte

Train du desert - Schnellzugwagen B10Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwacht in Europa wirtschaftliches Interesse an Afrika, gekoppelt mit verkehrstechnischer Entwicklung. Die Franzosen planen bereits im Jahr 1873 den Chemin de Fer Mediterranée - Niger, eine reichlich 3000 km lange Bahnverbindung von der Hafenstadt Oran nach Niamey im Niger. Geplant wurde über einen Zeitraum von fast 75 Jahren. Auf der immerhin 700 km langen tatsächlich erbauten Strecke bis ins algerische Bechar verkehrten von 1941 bis 1967 Züge, danach wurde sie stillgelegt. Bereits 1962 bedeuteten Grenzkonflikte zwischen Marokko und Algerien das Ende der Grenzüberschreitungen. Auf marokkanischer Seite dienten die Gleise noch dem Abtransport von Manganerzen aus der Mine bei Bouarfa, bis diese stillgelegt wurde. Einmal wöchentlich verkehrte außerdem ein Personentransport, irgendwann war auch damit Schluss.
Nichts erinnert heute mehr daran, dass diese Bahnlinie wohl auch von Häftlingen der Arbeitslager in Bouarfa und Tendrara gebaut wurde, die hier das französische Vichy-Regime installiert hatte.


Quellen und weiterführende Informationen:
Bild James Bond - Spectre: © ZDF
Interview mit Edi Kunz, 2023
Mittelmeer-Niger-Bahn / Chemins de Fer de la Méditerranée au Niger
ONCF-EISENBAHNEN IN MAROKKO
ARBEITSLAGER FÜR AUSLÄNDER