Vergessene Schätze im Berberland:
Tiguemi | Tiguemmi | Tagammi - befestigte Wohnhäuser

In der Region um Taliouine, dem Djebel Siroua aber auch in den Dörfern des Anti-Atlas in der Nähe der fruchtbaren Souss-Ebene fielen uns die Tiguemi/Tiguemmi (auch Tagammi) erstmals auf. Sie überragen die Dörfer, sind 2 bis 4 Etagen hoch. Die Räume sind vierseitig um einen Innenhof angeordnet. Weiter Richtung Süden, Richtung Bouizarkane sind die Innenhöfe an einer Außenwand angeordnet, die Grundrisse nicht mehr so symmetrisch. Die Anlagen sind mit Zinnen bekrönten Türmen und einer umliegenden Mauer recht wehrhaft gesichert. Fenster nach außen gibt es kaum, eher Schießscharten in den oberen Etagen.
In Taliouine erhielten wir von unserem Gastgeber als auch von einem Bewohner eines solchen Gebäudes folgende Erklärung dazu: Diese "befestigten Häuser" befinden sich in den Orten in zentraler Lage. In der Regel dienten sie Wohnzwecken einer Familie. Im Notfall wurden die Bewohner der Familie/Region mit ihren Vorräten, Wertsachen und Tieren aufgenommen, um sich gemeinsam vor Feinden zu schützen und zu verteidigen. Auch traf man sich hier, um bei einem Tee über die Belange des öffentlichen Interesses zu beraten.
Gerade im westlichen Vorland des Anti-Atlas fanden wir ebenfalls diese wehrhaften Wohnhäuser -im Unterschied zu den Speicherburgen ohne Sitzbänke im Eingangsbereich und ohne Vorrats-Zellen-, schätzungsweise bis zu 300 Jahre alt, in besonders hoher Anzahl. Fast in jedem älteren Dorf stehen sie aber auch weithin sichtbar in exponierter Lage auf Hügelspitzen. Ein Besuch lohnt sich besonders - nicht nur wegen des historischen Aspektes sondern auch wegen der tollen Aussicht auf das Gebirge einerseits und über die Ebene andererseits.
Inzwischen wissen wir von Jacques-Meunier: Tiguemmi bedeutet "das Haus". Im arabischen ed-dar. Es handelt sich um eine Art der Tiguermin (Mehrzahl von Tighremt). Festungsartig ausgebaute wehrhafte Wohnhäuser (fr. "maisons fortifiées", en. "fortified house"),
oftmals mit eigenen Wasserspeichern und entsprechenden Vorfiltern. Natürlich sind sie nicht so alt wie die Berberburgen in der Gegend aber genauso interessant und abwechslungsreich. Teilweise überraschen sie mit genauso interessanten zierenden Elementen und schmückenden Details.
Und wieder die geniale, gut durchdachte und über lange Zeit erprobte und immer weiter perfektionierte funktionale Architektur der Berber.
Viele dieser interessanten Bauwerke sind noch bewohnt bzw. werden genutzt. Oftmals gelingt es, mit den Nutzern ins Gespräch zu kommen und dann einen Blick hinter die Mauern werfen zu können - spannend!
Wir haben kein Informationsmaterial gefunden. Unsere Informationen stammen ausschließlich aus eigenen Beobachtungen vor Ort, Recherchen und Gesprächen.
Aber möglicherweise gibt es hier zu einem Begriff aus der Burgenforschung - dem "festen Haus"- oder auch dem "Wehrhof" Parallelen? In Wikipedia lesen wir dazu:
Als Festes Haus
Sicher, dem marokkanischen Wehrhof fehlen die Wassergräben naturbedingt - dafür gibt es oftmals Kakteenhecken, ebenso nicht mal ganz schnell und einfach überwindbar.
In unserem touristischen Landkarten und Reiseführern haben wir einige dieser festen Häuser vermerkt.
Denise (Djinn) Jacques-Meunié: Architectures et habitats du Dadès: Maroc Présaharien. Paris 1962
Marokko Erfahren: "GPS Waypoints Marokko - Morocco - Maroc" Verlag Projekt Nord, Kiel ISBN 978-3-931099-17-6