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Marabots Al Khenig

Marabouts - Grabmale geistiger Führer

Marabouts Ksar Assa

Sie fallen auf und faszinieren: Schon von weitem sichtbar auf Bergkuppen oder in anderer malerischer Lage stehen kleine würfelförmige Bauwerke mit einer Kuppel darauf.
Meist schlicht, selten verziert aber eigentlich immer sehr gepflegt, je nach Region weiß oder rötlich gekalkt und manchmal mit farbig abgesetzter Kuppel:
Das sind Grabmale von Marabuts, von islamischen Gelehrten, „geistigen Führern“, verehrungswürdigen Männern, denen aufgrund ihrer Abstammung, seltener durch besondere Taten oder Fähigkeiten über ihren Tod hinaus besondere Segenskraft, Heilkraft „Báraka“ zugesprochen wird. (Der Islam kennt keine Heiligen, in unserem Kulturkreis würde man die Verstorbenen als Solche bezeichnen.)

Marabout ait herbil Die Kuppel des Bauwerkes symbolisiert den Himmel, der quadratische geschlossene Raum darunter den geschützten Kosmos. Der Kreis als Übergang zwischen Grundkörper und Dachaufbau steht für die Abgrenzung gegen das Chaos.
Benannt wird das Grab nach dem Namen des Verstorbenen, dem "Sidi" oder kurz "Si" (mein Herr) vorweggestellt wird.
Uns fiel auf, dass (im Gegenzug?) Quellen den Namen von Frauen ("Lalla" - meine Herrin) führen, eine Quelle mit "Sidi" ist uns nicht bekannt.
Schnell begreift man so: viele Ortsnamen im Berberland, die das Wort Lalla oder Sidi enthalten, sind von den dort ehemals tätigen geistigen Führern abgeleitet.

Marabout Tata Die im Marabout vorhandene göttliche Segenskraft Báraka ist dem tief verwurzelten Glauben nach übertragbar. Der Besucher eines heiligen Ortes empfängt diese Kraft und nimmt sie mit nach Hause. Tücher oder Glücksbringer werden mit dem Grab in Kontakt gebracht, damit sie diese Kraft aufnehmen. In verschiedenen Materialien wie z.B. in Silber und verschiedenen Halbedelsteinen und in Henna steckt die göttliche Kraft bzw. sie sind für die Übertragung besonders gut geeignet. Zu einem Symbol der Báraka ist inzwischen die "Hand der Fatima" geworden. Sie schützte bei den Berbern vor deren Islamisierung gegen den bösen Blick, heute sieht man sie in Nordafrika überall.
Die über das ganze Land verstreut liegenden heiligen Bauwerke bilden unantastbare Zufluchtsorte, in die weder private Rache noch die Hand der öffentlichen Justiz eindringen kann.

Auch die Gelehrten waren manchmal vor einem unfreiwilligen Ende nicht gefeit. Segonzac notiert 1902 einen Fall:
Sidi Boulman hatte die wundersame Macht, unfruchtbare Frauen fruchtbar zu machen. Er starb durch die Hand eines Ehemannes, der die frevelhafte Neugier hatte, den geheimnisvollen Riten dieses Wunders beiwohnen zu wollen!

Marabout Mhand Die Verehrung hält an und so ist der meistenteils gute bis sehr gute bauliche Zustand zu erklären.

Oftmals entstand umgebend ein Friedhof, damit die Begrabenen an der Báraka teilhaben. In manchen Fällen sind die Grabmale auch von anderen Gebäuden umgeben oder durch diese umbaut wie bei einigen Igoudar bzw. Ighrman, Kasbahs,  Moscheen oder Zaouïas.

Vor allem um Skoura gab es eine Sonderform: die Greniers Marabouts, Marabout-Speicher. Eine Kombination aus Speicherburg, -Agadir- und Grabstätte.

Marabout TimiderteUm 1960 zählte Jacques-Meunié dort 7 dieser Anlagen. Sie vermutete an diesem Ort den Ursprung der Siedlungen. Um ein Marabout herum errichtete jeder Bewohner seine Kammer.  Das begründet die für die Menschen ansonsten ungewöhnlich planlos und ungeordnet wirkende Architektur. Es waren keine Baumeister am Werk. Der sesshaften, meist nicht wandernden Bevölkerung ging es wohl einzig darum, Schutz für ihr gelagertes Hab und Gut durch Segen und Beistand des Verstorbenen zu erhalten. Damit verbunden waren die sonst für Speicherburgen üblichen Sonderrechte: hier durfte kein Verbrechen begangen, keine Rache verübt werden, Asyl wurde gewährt und Reisende fanden eine freundliche Aufnahme.

Quellen und weiterführende Informationen:
MaraboutIn unseren TOURISTISCHEN LANDKARTEN und REISEFÜHRERN werden zahlreiche Ziele vorgestellt und Ausflüge vorgeschlagen.
Denise (Djinn) Jacques-Meunié: Architectures et habitats du Dadès: Maroc Présaharien. Paris 1962