Igherm und Tazghalit
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• richtig wilde wildschweine • verkehrschaos jeden mittwoch • speicherburgen ohne ende •
Igherm (auch Irherm oder Ighrem) ist ein vom Tourismus gänzlich vergessener, auf ca. 1700 m Höhe geleger kleiner beschaulicher Marktflecken an einer Kreuzung zwischen Gebirge, Tiefebene um Agadir, Ostmarokko und dem Süden.
Hier fährt man normalerweise nur durch. Warum eigentlich?
Igherm ist eine kleine Stadt mit ca. 4000 Einwohnern, richtiger Tankstelle und Geldautomat.
Sie liegt ungefähr in der Mitte zwischen Taroudant, Tata, Tafraoute und Taliouine. Jeweils ca. 100 km sind es, um die 2 Stunden Fahrzeit auf inzwischen asphaltierten Straßen. Verkehrstechnisch gesehen ein interessanter Knotenpunkt: Die N7 (alt R109) kreuzt hier als Nord-Südverbindung durch den Antiaitlas die R106 als (fast) Ost-Westverbindung, die längs durch das Gebirge verläuft. Von Igherm kommt man ebenfalls auf der R116 (alt P1805) auf kürzerem, aber keinesfalls schnelleren Weg weiter nach Süden. Eins haben alle Straßen gemeinsam: Sie führen landschaftlich durch sehr schönes und abwechslungsreiches Terrain, am Weg liegen zahlreiche Sehenswürdigkeiten, für die man ruhig etwas Zeit einplanen sollte. Dazu unten mehr.
Auf Touristen ist man nicht eingestellt, deswegen ist es angenehm unaufdringlich. Die Unterkünfte in der Stadt sind auf Einheimische ausgerichtet und entsprechen dem in Preis und Leistung. Wir entschieden uns für ein Quartier im ca. 40 km entfernten Tazghalit (Tazghlilt). Das kleine Bergdorf liegt in 1200 m Höhe am Ende einer 4 km langen Piste. Hier befindet sich eine Fair-Trade Arganöl-Produktion; von den Frauen der umliegenden Dörfer werden die geknackten Kerne abgegeben und daraus das Öl gepresst. Das gibt den Frauen eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit von Ihren Männern, die zudem meist in den weit entfernten Städten arbeiten und deswegen dort leben.
Kein Auto, kein Flugzeug. Die absolute Stille wurde nur regelmäßig durch zeitgleichen Gesang von den beiden Moscheen des Dorfes sowie von den am Wasser spielenden Kindern unterbrochen, wenn nachmittags die Bewässerungsrinnen für die Gärten geöffnet wurden. Nachts war der klare Himmel voller Sterne; wenn man Ahnung gehabt hätte, wäre sicher die ganze Nacht mit Studien drauf gegangen. Eigentlich wollte man nur so dasitzen, Ausschau halten und dabei Tee trinken. Das gelang auch ab und zu. Dennoch machten wir Ausflüge; bepackt mit einem Picknick. Bei einem dieser Streifzüge machten wir auch (zum Glück keine nähere) Bekanntschaft mit einer Horde Wildschweine, die es im Anti-Atlas reichlich gibt - von uns bei der Nahrungssuche im Flusstal aufgeschreckt, floh die Familie. Wie hätten wir uns verhalten sollen, wenn die Tiere in unsere Richtung „geflohen“ wären?
Natürlich führten unsere Ausflüge auch nach Igherm und in seine Umgebung. Die Fahrt brauchte gut eine Stunde.
Direkt am Ortsrand liegt ein Agadir. Wohl auch durch eine Schutzmauer geschützt aber nicht erhöht auf einem Berg, wie wir das sonst kannten. Bei unserem ersten Besuch 2015 versperrte uns ein Baugerüst den Zugang. Schnell durchgeklettert trafen wir eine Frau, die uns erlaubte, den Speicher, in dem sie offensichtlich auch wohnte, anzusehen. So streiften wir durch das Gemäuer, dessen Ursprung auf das 17. Jh. zurück geht. Immer die Frau dabei, die in unserer Gegenwart bemüht war, kleinste Plastikreste, die in Marokko überall rumfliegen, aufzusammeln. Bei späteren Besuchen war das Baugerüst verschwunden, der Speicher rekonstruiert. Auch wenn diese Art der Rekonstruktion mit Beton und modernen Stilelementen fragwürdig erscheint, freut es uns immer besonders, wenn eines dieser geschichtsträchtigen Bauwerke erhalten wird. Das ist nicht die Regel. Aber an dieser Berberburg musste sich offensichtlich ein ortsansässiger Architekt (die Parallelen zum neu erbauten Rathaus in der Ortsmitte sind unübersehbar) etwas beweisen.
In unmittelbarer Nachbarschaft des Speichers befindet sich der alte Ort: durch kleine verwinkelte Gassen laufend konnten wir interessante Konstruktionen bestaunen, die als Treppen dienten um in die in 1,5 m hohe 1. Etage der Gebäude zu gelangen. Mal war es ein Baumstamm, in den Kerben gehauen waren, ein anderes Mal waren flache Steinplatten in die Mauer eingelassen – was eben grad da war wurde verwendet. Teilweise überquerten die engen Gassen in 1,7 m Höhe überbaute Brücken, die die Gebäude auf beiden Seiten der Straße verbanden.
An jedem Mittwoch ist was los in Igherm: Verkehrschaos. Das ist der Markttag. Offensichtlich ein sehr beliebter Markt, man kommt von weit her. Zum traditionellen Handelsplatz gehört die große Kreuzung der Asphalt-Straßen im Ortszentrum. Diese wird zur Fußgängerzone. Große Überland-Busse schieben sich hupend im Schritttempo durch die Menschenmenge, Eselskarren, Lieferwagen, Fahrrad- und Mopedfahrer. Und natürlich PKWs… Also am Mittwoch bitte mehr Zeit einplanen!
Keine 20 km östlich der Stadt liegt der Jbel Aklim, mit gut 2500 m fast genauso hoch wie der höchste Berg des Antiatlas, der Jbel Lekst bei Tafraoute. Um ihn zu besteigen startet man hier. Aber tolle Wanderungen kann man auch in der näheren Umgebung machen. Uns gefiel besonders die Gegend um Tagragra. Ein Ausblick tat sich auf, den wir so bislang noch nicht gesehen hatten: in absolut unbewachsener Landschaft (eigentlich ist Marokko doch ziemlich grün, dachten wir an dieser Stelle) war Platz zum Ausschau halten soweit man eben konnte. Grandios.
In unmittelbarer Nähe liegen neben einigen Bergwerken zahlreiche Igoudar, kollektive Speicherburgen. Viele davon sind leider in Ruinen aber einige werden noch genutzt und herkömmlich bewirtschaftet. Wer auf der Durchreise ist, sollte etwas Zeit einplanen und eine dieser geschichtsträchtigen Bauwerke, die gleichfalls entlang der oben genannten Straßen (mit Ausnahme der nach Taroudant führenden) liegen, besichtigen.
Die Dorfbewohner sind sehr offen und freuen sich über Ihr Interesse!
Konkrete Informationen zu den Sehenswürdigkeiten der Region mit Fotos, Zugangsmöglichkeiten, GPS-Daten und weiteren Informationen finden Sie in unserem Blatt K13: Zwischen Aït Baha, Tafraoute und Igherm.